Inspiration

Trilogie: Diesseits von Eden

Mit den Augen einer Malerin

Maria Rosina Lamp widmet sich in ihren Arbeiten dem Menschen mit seinen vielen Facetten. In ihren Portraits und Akten versucht die Künstlerin das Wesen einer Person einzufangen und wie sich diese in der Welt und im Licht präsentiert. Wer bist Du? – ist eine Frage, die sich die Malerin dabei immer wieder stellt. Dabei stößt sie auf ein Problem, dass eigentlich nur Quantenphysiker kennen: je deutlicher man ein Teilchen bestimmen möchte, desto unschärfer wird es und droht am Ende ganz zu verschwinden.

Das kann man auch auf die Malerei übertragen: Hier lassen sich zwei gegensätzliche Eigenschaften eines Motives nicht gleichzeitig wahrnehmen. Es gilt gleichzeitig die Person mit ihren Eigen­schaften und ihrem persönlichen Ausdruck festzuhalten, sie aber auch als Objekt wahrzunehmen, das aus aneinanderstoßenden, sich über­lappenden und interagierenden Farbflächen besteht.

Dieses Dilemma zwingt Maler zu einer Art mäanderndem Blick, der zwischen den verschiedenen Eigenschaften und Sichtweisen hin und her springt, um ein harmonisches Ganzes zu erfassen. Es ist eine Arbeit, die eigentlich zum Scheitern verurteilt ist. Und doch gelingt es Maria Rosina Lamp Werke zu erschaffen, die von einer Lebendig­keit geprägt sind, wie es nur wenigen zeitgenössischen Malern ge­lingt – ohne in expressionistische Abstraktion oder foto­realistische Oberflächlichkeit zu verfallen.

Diesseits von Eden

Die Trilogie Diesseits von Eden (2015–2019) ist ein sehr persönliches Werk von Maria Rosina Lamp – nicht nur thematisch, sondern auch motivisch. In dieser Studie lotet sie die eigene Stellung zur Welt aus – aufgespannt zwischen Leben und Tod. Die drei Werke sind Selbstportraits, die eine reife Frau auf ihrem Weg vom Hier und Jetzt in ein unbekanntes Jenseits zeigen.
In einem kahlen Raum steigt die Malerin eine Treppe hinauf, an deren Ende ein tiefschwarzer Durchgang wartet, der nicht verrät, was sich dahinter befindet. Die Szenerie erinnert an Fritz Langs Stummfilm Der müde Tod (1921). Darin versucht eine namenlose, junge Frau ihren verstorbenen Geliebten, in einer Art umgedrehter Interpretation des Orpheus-Mythos, vom Tod zurückzugewinnen. Geleitet wird sie dabei durch den Spruch Salomons „Stark wie der Tod ist die Liebe“.
Die Welt der Lebenden und der Toten sind in Langs Film durch eine hohe Mauer getrennt. Zu dem einzigen Eingang führt eine scheinbar unendliche Treppe, an deren Ende sich jedoch das von Kerzen erleuchtete Innere einer gotischen Kathedrale öffnet. Auf dieses Element verweist Maria Rosina Lamp in ihrem Gemälde mit dem warmen Licht, welches in Orangetönen über der Türe leuchtet. Kennt man die Biographie der Künstlerin, dann weiß man, dass der frühe und unerwartete Tod ihres Ehemannes sie sehr getroffen hat. Insofern ist das erste Gemälde des Zyklus nicht nur die Ausein­andersetzung mit der Frage, wohin der Mensch geht, wenn das Leben zu Ende ist. Es ist auch dem Wunsch geschuldet, nur einmal noch die Chance zu bekommen, um den Geliebten zu kämpfen, so aussichtslos dies auch erscheinen mag.

Insofern verwundert es nicht, wenn das zweite Bild der Serie die Künstlerin auf einem Steg sitzend zeigt. Sie hat das hell strahlende Licht am Ende im Blick, lässt sich davon aber nicht verführen. Sie verharrt, wartet und enthält sich einer Entscheidung.

Diese wird im dritten und letzten Bild Wolkensprung auf geradezu dynamische Weise gefällt. Allerdings gelingt dieser Sprung nur, wenn die physikalischen Gesetze dieser Welt außer Kraft gesetzt werden und sich Oben und Unten verkehren. So scheint es, als ob die Künstlerin nach unten springt, aber bei genauerem Hinsehen erkennt man, daß sie in den Wolkenhimmel springt. Es bleibt weiterhin unklar, was sie am Ende erwartet, aber gerade das dritte Bild vermittelt eine dynamische Zuversicht und geradezu spielerische Neugierde. (Vivien Rathjen M.A.)